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  • Mathias Karlhuber

Künstliche Intelligenz (KI) und geistiges Eigentum

Die Nutzung von KI wirft im Bereich des geistigen Eigentums eine Vielzahl von Fragen auf: Kann eine KI ein Erfinder oder Schöpfer eines Werks sein?

Wie können Erfindungen, die KI einsetzen, geschützt werden? Kann man verhindern, dass von einer KI generierte Ergebnisse Schutzrechte Dritter verletzen, und wer haftet bei einer Verletzung? Ein Überblick.

Künstliche Intelligenz (KI) hat im Zusammenspiel mit immer leistungsfähigeren Computerchips mittlerweile einen so hohen technologischen Reife- und Verfügbarkeitsgrad erreicht, dass sie in vielen Bereichen einen wesentlichen Einfluss auf unser tägliches Leben hat. Häufig übernimmt sie im Hintergrund komplexe Aufgaben, deren Lösung in Echtzeit unlängst noch die Leistungsfähigkeit im Alltag verfügbarer Computersysteme überstieg. Natürlich prägt der Einsatz von KI in vielerlei Hinsicht auch das technologielastige Umfeld des geistigen Eigentums. Die vielfältigen rechtlichen Facetten reichen dabei von der Frage, ob eine KI als Erfinder oder Schöpfer eines schutzfähigen Gegenstands fungieren kann, über das Problem, wie Systeme, die KI einsetzen, mit unserem derzeitigen rechtlichen Instrumentarium geschützt werden können, bis hin zu dem Aspekt, welche bestehenden Schutzrechte, seien es Patent-, Marken-, Design- oder Urheberrechte, bei der Verwendung von KI verletzt werden und wer für diese Verletzung gegebenenfalls verantwortlich ist.

Die KI als Erfinder oder Schöpfer

Die Frage, ob eine KI als Erfinder fungieren kann und demgemäß auch als solcher beispielsweise in einer Patentanmeldung genannt werden kann, hat in den letzten fünf Jahren zahlreiche Patentämter und Gerichte beschäftigt, meist im Zusammenhang mit Patentanmeldungen, in denen eine KI namens DABUS als Erfinder benannt wurde. Nach anfänglich unterschiedlichen Tendenzen kristallisiert sich jüngst jedoch in vielen Jurisdiktionen, wie z. B. Deutschland, Großbritannien und den USA, und in betroffenen Institutionen, wie z. B. dem Europäischen Patentamt (EPA), als herrschende Meinung heraus, dass die aus der Funktion eines Erfinders oder Schöpfers erwachsenden Rechte generische Persönlichkeitsrechte sind, die in den meisten Rechtssystemen untrennbar mit einem menschlichen Individuum verbunden sind. Lediglich in Südafrika wurden für die DABUS-Anmeldungen wirksam Patente erteilt.

Die international vorherrschende Ansicht, dass ausschließlich ein menschliches Individuum als Erfinder fungieren kann, wirft unmittelbar die Frage auf, ob dann Erfindungen oder Schöpfungen, die mittels einer KI generiert werden, dem Schutz durch die derzeitigen Rechtsinstrumente überhaupt zugänglich sind. In den meisten Jurisdiktionen und Institutionen wird die Frage nach dem menschlichen Erfinder oder Schöpfer daher meist „nach vorne“ verlagert, also dahin, ob ein Mensch maßgeblich am Training der KI oder an der Auswahl und Eingabe der Daten beteiligt war, aus denen die KI dann die Erfindung bzw. Schöpfung generiert hat.

Das US-Patent- und Markenamt (USPTO) hat beispielsweise kürzlich in einem Leitfaden für „KI-gestützte Erfindungen“ Hinweise zusammengestellt, wie und unter welchen Voraussetzungen technische Innovationen, die mithilfe von KI entstanden sind, geschützt werden können. In dem Leitfaden ist zunächst festgehalten, dass KI-gestützte Erfindungen nicht grundsätzlich vom gewerblichen Rechtsschutz ausgenommen sind. Entscheidend sei aber, dass ein Mensch, der wesentlich zu der Erfindung beigetragen hat, als Erfinder genannt wird. Die Autoren verweisen dabei auf den sog. Pannu-Test, der bereits 1998 von einem US-Berufungsgericht entwickelt worden war. Demnach muss das menschliche Individuum, gemessen an der gesamten Erfindung, einen qualitativ nicht unerheblichen Beitrag geleistet haben, um als Erfinder fungieren zu können. Dieser Beitrag dürfe nicht nur die Erläuterung bekannter Konzepte beziehungsweise des aktuellen Stands der Technik beinhalten. Der geforderte signifikante Beitrag kann gemäß dem Leitfaden etwa auch dann gegeben sein, wenn eine Person eine spezielle Eingabeaufforderung, also beispielsweise eine Reihe von Prompts für ChatGPT oder Gemini, konstruiert, um eine bestimmte Lösung zu finden.

Etwas anders stellt sich die gängige Auffassung für den Urheberrechtsschutz dar. Dieser setzt eine schöpferische Leistung voraus, die nur Menschen erbringen können. Der urheberrechtliche Schutz entfällt somit zumindest bei Ergebnissen, die ausschließlich durch KI generiert wurden. Bedient man sich selbst oder über eine Agentur einer KI, so muss man in Kauf nehmen, dass man in der Regel keine urheberrechtlich geschützte Leistung erhält.

Im Bereich des Designschutzes sind die Auswirkungen des Einsatzes vom KI noch unklar. Designs schützen die zwei- oder dreidimensionale Erscheinungsform von Erzeugnissen. Teilweise wird die Auffassung vertreten, dass zwar nur natürliche Personen Entwerfer eines Designs sein können, der Designschutz in den meisten Jurisdiktionen aber nicht voraussetzt, dass ein Design von einer Person stammt. Für einen Designschutz muss beispielsweise weder in Deutschland noch in der EU ein Entwerfer benannt werden, sodass der Schutz für ein KI-generiertes Design zunächst gewährt würde. Ob das Designrecht im Streitfall Bestand hätte, ist jedoch mangels diesbezüglicher Rechtsprechung nicht sicher. 

Der Schutz von Erfindungen, die KI verwenden

Ist die Frage nach dem menschlichen Erfinder geklärt, müssen für den Schutz von Erfindungen, die KI verwenden, nach wie vor die üblichen Kriterien für Patente erfüllt werden: Die Erfindung muss neu sein, auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhen und gewerblich anwendbar sein. Auch hierzu geben der obige Leitfaden des USPTO oder beispielsweise die Prüfungsrichtlinien des EPA spezielle Hinweise für KI-bezogene Erfindungen. Diese werden grundsätzlich nicht anders behandelt als andere computerimplementierte Erfindungen. Auch sie müssen einen technischen Beitrag über den Stand der Technik hinaus liefern, der einen technischen Bezug zur realen Welt hat.

Eine maßgebliche Hürde für die Patenterteilung für solche KI-bezogenen Erfindungen ist die Frage nach der ausreichenden Offenbarung der Erfindung in der Patentanmeldung. Ein wesentlicher Teil der jüngst überarbeiteten Prüfungsrichtlinien des EPA beschäftigt sich gerade mit diesem Aspekt. Wird beispielsweise lediglich eine „handelsübliche“ KI verwendet, so reichen typischerweise deren hinreichend exakte Bezeichnung und Angaben, wie die KI verwendet wird, um das Erfordernis der ausreichenden Offenbarung zu erfüllen. Passiert der Einsatz einer solche KI jedoch ohne spezielle Modifikation oder spezielles Training etc., um ein Problem zu lösen, das bisher im Stand der Technik mit anderen Mitteln gelöst wurde, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass dieser Einsatz der KI als naheliegende Maßnahme angesehen wird, die für sich keine erfinderische Tätigkeit begründen kann. Erfolgt jedoch ein spezielles Training der KI, eine proprietäre Dateneingabe in die KI oder gar eine Modifikation der KI, erhöht dies natürlich die Chancen einer Patenterteilung. Dies geht aber mit verschärften Anforderungen an die erforderliche Offenbarung in der Patentanmeldung einher. Angesichts der aktuellen Rechtsprechung des EPA dürfte es dann beispielsweise erforderlich sein, Angaben zur Art des Trainings der KI, zu Strukturen der neuronalen Netze, zu deren Aktivierungs-, Eingangsparametern und Lernmechanismen etc. zu machen, die hinreichend sind, um den Fachmann („skilled person“) in die Lage zu versetzen, den beanspruchten technischen Effekt der KI auch tatsächlich zu erzielen.

Die KI als Generator von Schutzrechtsverletzungen

Auf der Suche nach neuen Ideen nutzen immer mehr Unternehmen inzwischen die Möglichkeiten von KI. So hat Coca-Cola im Frühjahr 2023 beispielsweise eine Kampagne gestartet, bei der zur Erstellung von Werbemotiven KI genutzt werden sollt. Hierzu haben der KI-Anbieter Open AI und die Agentur Bain & Company für den US-Getränkeriesen eine eigene Plattform unter dem Titel „Create Real Magic“ entwickelt. Die Siegerergebnisse des Wettbewerbs wurden u.a. am Times Square in New York präsentiert – ein prominentes Beispiel dafür, wie stark generative KI gerade die Werbe- und Kreativbranche bereits erobert hat. Das Potential von KI-Bildgeneratoren (z.B. Midjourney oder DALL-E-2) ist hoch und deren Nutzung nur allzu verführerisch. Auf ein paar Textbefehle (sog. Prompts) hin erhält man die passenden Bilder und Illustrationen. Nur: Wie steht es dabei mit Rechten Dritter? Könnten die Bilder, auf die die KI für ihre Ergebnisse zurückgreift, nicht beispielsweise dem urheberrechtlichen Schutz unterliegen? Und was gilt für Rechte an fremden Marken oder Texten, die womöglich im Bild enthalten sind?

Eine eindeutige Antwort fällt schwer. Schließlich bedient sich KI eines vorgegebenen Datenpools, der vorhandene Bilder oder Bildausschnitte umfasst, deren Herkunft für den Nutzer nicht transparent ist. Die Suche nach der Quelle eines generierten Bildes dürfte daher in etwa so erfolgreich sein wie die sprichwörtliche Suche nach der Nadel im Heuhaufen. Das Risiko, dass bei der KI-Bildgenerierung Bilder geschaffen werden, die im Schutzbereich von Rechten Dritter liegen und z.B. Urheberrechte betreffen, ist also durchaus gegeben. Aber immerhin: Es lässt sich minimieren.

Ein in der Praxis bereits erfolgreich angewandter Ansatz ist, dass man das durch KI generierte Bild lediglich als Vorschlag und Inspiration nutzt, um eigene kreative Prozesse anzustoßen. Die KI wird so zum mehr oder weniger hilfreichen Assistenten. Besondere Vorsicht gilt jedoch bei der Formulierung des jeweiligen Prompts: Wenn hierbei beispielsweise eine Nennung oder Bezugnahme auf ein konkretes geschütztes Werk erfolgt, dürfte das Risiko einer Urheberrechtsverletzung tendenziell größer sein. Gerade dann sollte das KI-Bild wirklich nur als Anregung dienen und im Laufe des eigenschöpferischen Prozesses deutlich abgeändert werden.

Grundsätzlich gilt natürlich: Wer Produkte in den Markt bringt, muss vorher die Freiheit von Rechten Dritter prüfen. Das gilt auch beim Einsatz von KI. Und es zeigt sich, dass auch das sorgfältigste Vorgehen nicht davor schützt, dass Rechte Dritter unbewusst verletzt werden. In diesem Fall hilft leider auch nicht die Rechtfertigung, dass man auf die Bildgenerierung durch KI keinen Einfluss hatte. Der KI-Anbieter übernimmt in der Regel keine Haftung für die Inhalte, die durch die KI generiert wurden. Wer aber auf die beschriebene Weise mit KI-Bildgeneratoren arbeitet, kann die Gefahr, dass er in die Rechte Dritter eingreift, wenn schon nicht bannen, so doch zumindest reduzieren.

Fazit 

Die Nutzung von KI hat zahlreiche Facetten im Bereich des geistigen Eigentums. Während bei Patenten und Urheberrechten im internationalen Vergleich davon auszugehen ist, dass eine KI kein Erfinder oder Schöpfer eines Werks sein kann, ist die Rechtslage bei Designs weniger eindeutig. Erfindungen, die KI einsetzen, können geschützt werden wie jede andere computerimplementierte Erfindung. Von einer KI generierte Ergebnisse können unbeabsichtigt Schutzrechte Dritter verletzen. Der gewerbliche Nutzer dieser Ergebnisse haftet typischerweise bei einer Verletzung, kann aber bei der Nutzung der KI Maßnahmen ergreifen, um das Verletzungsrisiko zu reduzieren.

Erste Veröffentlichung des Artikels im Mai 2024 im ICC Germany-Magazin Ausgabe 18.

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